Der Nachteilsausgleich zielt darauf ab, Schülern mit Legasthenie/Dyskalkulie die Möglichkeit zu geben, das Leistungsvermögen darzustellen und ihre Fähigkeiten im Hinblick auf die gestellten Anforderungen nachzuweisen.
Das Ministerium für Bildung und Kultus Saarland führt auf seiner Webseite dazu aus:
" ... Durch Maßnahmen des Nachteilsausgleichs werden Bedingungen geschaffen, die den Zugang zur Aufgabenstellung und die Möglichkeit ihrer Bearbeitung gewährleisten, ohne dass dabei die inhaltlich-fachlichen Leistungsanforderungen des jeweiligen Bildungsganges geringer bemessen werden. Eine Leistung, die mit Maßnahmen eines Nachteilsausgleichs erbracht worden ist, stellt daher immer eine gleichwertige Leistung dar. ..."
Bei Vorliegen einer Lese- Rechtschreibstörung ist bis Klasse 9 neben dem Nachteilsausgleich auch ein Abweichen von den Grundsätzen der Leistungserhebung und Leistungsbewertung möglich (s.u.).
Die Richtlinie des Saarlands vom 15.11.2009 unterschiedet zwischen der Lese- und/oder Rechtschreibstörung und einer aktuten Leistungsschwäche im Lesen und/oder Rechtschreiben (vorübergehend). Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf das Vorliegen einer Lese- und/oder Rechtschreibstörung. Nur bei Vorliegen einer Lese- und/oder Rechtschreibstörung kann auch ein Abweichen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung erfolgen.
Eine Lese- und/oder Rechtschreibstörung wird, so die Ausführungen in der Richtlinie vom 15.11.2009, durch den Schulpsychologischen Dienst oder einen Amtsarzt festgestellt.
Eine ausführliche gutachterliche Stellungnahme durch einen fachlich ausgewiesenen Direktor einer Universitätsklinik (Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische oder Klinische Psychologie) kann, so die Vorgaben des Ministeriums, in der Regel einem schulpsychologischen/schulärztlichen Gutachten gleichgestellt werden.
Die Klassenkonferenz entscheidet auf Grund des Gutachtens über den Umfang und die Beendigung der Maßnahmen.
Die Richtlinie des Kultusministeriums weist darauf hin, dass, so ein Schüler die für den Schriftspracherwerb notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten im Vorschulalter noch nicht erworben hat, diese im Anfangsunterricht durch individuelle und differenzierte Fördermaßnahmen systematisch entwickelt werden müssen, bevor mit dem Lese- und Schreiblernprozess begonnen werden kann.
„Ein sorgfältig durchgeführter Erstlese- und Erstschreibunterricht berücksichtigt nicht nur die individuellen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler, sondern sichert auch die einzelnen Stufen und Phasen des Schriftspracherwerbs. Dabei muss sich der Unterricht an den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen sowie dem individuellen Lernverhalten und Lerntempo der Schülerinnen und Schüler orientieren. … Des Weiteren gelingt es durch geeignete Unterrichtsverfahren und gezielte Fördermaßnahmen, entstehenden Schwierigkeiten vorzubeugen und ein Versagen im Lesen und Schreiben und seine negativen Auswirkungen auf das gesamte schulische Lern- und Leistungsverhalten zu verhindern. ....“ (Richtlinie vom 15.11.2009, 2.3 Unterricht)
Fördermaßnahmen sollen möglichst frühzeitig beginnen.
Die Erhebung des aktuellen Status der Lese- und Schreibkompetenz (Förderdiagnostik) ist Aufgabe der Lehrkraft. Die Richtlinie vom 15.11.2009 führt unter 3.1 zur Dokumentation des Lernprozesses aus.
„Jede Schülerin und jeder Schüler mit besonderen Lese- und/ oder Rechtschreibschwierigkeiten soll eine angemessene individuelle Förderung erhalten, die möglichst frühzeitig beginnt.“ (Richtlinie 4.1)
Ziele der Fördermaßnahmen (gem. Richtlinie des Ministeriums vom 15.11.2009, 3.2.1)
Der Förderplan wird durch die Deutsch-Lehrkraft erstellt (Richtlinie 4.1).
„Die Entscheidung über Förderplan, Art, Umfang und Dauer der Förderung einer Schülerin oder eines Schülers, Maßnahmen zum Nachteilsausgleich und Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung trifft die Klassenkonferenz unter Berücksichtigung der sächlichen und personellen Voraussetzungen der Schule. Die Erziehungsberechtigten sind anzuhören. Die Ergebnisse sind in einem Protokoll zu dokumentieren. Die Entscheidung ist den Erziehungsberechtigten umgehend schriftlich über die Schulleitung mitzuteilen“ (Richtlinie 4.1)
„Die Fördermaßnahmen sollen den Erziehungsberechtigten sowie den Schülerinnen und Schülern erläutert werden. Die Erziehungsberechtigten sollten Hinweise auf die jeweils angewandte Lese-, Schreib- und Rechtschreiblernmethode, auf besondere Lehr- und Lernmittel, auf häusliche Unterstützungsmöglichkeiten und geeignete Fördermaterialien und -hilfen erhalten.“ (Richtlinie 4.1)
Zur Förderung in der Sekundarstufe führt die Richtlinie unter 4.4 aus. Die Förderung („z. B. Behandlung von Rechtschreibphänomenen, Aufgreifen und Ausbau der Stärken der sprachlichen Kompetenz, Umgang mit Notebook, …“) sollte auch in den Klassen 5/6 und gegebenenfalls auch 7-9 angeboten werden.
Die Richtlinie führt unter 3.2.1 aus: „… Grundsätzlich sollte von den Stärken des Kindes ausgegangen und darauf aufgebaut werden. Im Unterricht ist auf Leistungsschwächen Rücksicht zu nehmen und bei Vorliegen einer Lese- und/oder Rechtschreibstörung können ggf. in einzelnen Leistungsbereichen die Leistungsanforderungen zurückgenommen werden bzw. die Benotung ausgesetzt werden, bis die Kinder sich den Anforderungen ihrer Klassenstufe tatsächlich stellen können….“ .
„Die Entscheidung über Förderplan, Art, Umfang und Dauer der Förderung einer Schülerin oder eines Schülers, Maßnahmen zum Nachteilsausgleich und Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung trifft die Klassenkonferenz unter Berücksichtigung der sächlichen und personellen Voraussetzungen der Schule. Die Erziehungsberechtigten sind anzuhören. Die Ergebnisse sind in einem Protokoll zu dokumentieren. Die Entscheidung ist den Erziehungsberechtigten umgehend schriftlich über die Schulleitung mitzuteilen“ (Richtlinie 4.1)
Zu Maßnahmen des Nachteilsausgleichs und der Abweichung von allgemeinen Grundsätzen der Leistungserhebung und Leistungsbewertung führt die Richtlinie unter 5.1 aus.
Maßnahmen gemäß Richtlinie 5.1
Das Rundschreiben des Ministeriums vom 18.04.2017 weist ausdrücklich darauf hin, dass eine bestimmte Diagnose jedoch nicht ohne weiteres eine bestimmte Form des Nachteilsausgleichs nach sich zieht. Ein ärztliches Attest kann eine Empfehlung zu Art und Umfang eines Nachteilsausgleichs enthalten, aber nicht die pädagogische Entscheidung der Schule bzw. der Schulaufsichtsbehörde vorwegnehmen.
Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungserhebung und Leistungsbewertung sind nur bis Klasse 9 möglich und werden im Zeugnis vermerkt.
Beispiele aus der Richtlinie:
Die genannten Maßnahmen müssen jeweils dokumentiert werden.
Die Richtlinie führt zur Bewertung der Rechtschreibleistung ergänzend aus:
„Bei Schülerinnen und Schülern mit einer anerkannten akuten Leistungsschwäche im Lesen und/oder Rechtschreiben oder einer Lese- und/oder Rechtschreibstörung darf bis einschließlich der Klassenstufe 9 die Lese- und Rechtschreibleistung grundsätzlich nur bei Leistungserhebungen, die der Feststellung der Lese- und/ oder Rechtschreibkenntnisse dienen, notenmäßig bewertet werden. Bei allen anderen Klassenarbeiten, schriftlichen Überprüfungen und sonstigen Lernerfolgskontrollen, wie z. B. Aufsätzen, Niederschriften, Protokollen u. a., ist eine fehlerhafte Rechtschreibung zwar zu kennzeichnen, darf aber nicht in die Bewertung einfließen.
Die Verfahrensgrundlagen für Schüler mit Dyskalkulie regelt das Rundschreiben des Ministeriums vom 25. Juni 2014.
Voraussetzung für Maßnahmen des Nachteilsausgleich und ggf. Abweichungen von der allgemeinen Leistungsbewertung, die nur in den Klassen 1-4 gewährt werden können, ist das Vorliegen einer schriftlichen Stellungnahme des Schulpsychologischen Dienstes. Die Entscheidung über die Maßnahmen (Umfang und Beendigung) trifft die Klassenkonferenz.
Grundlage der Förderung ist die Dokumentation der Lernsiutation, die durch die Lehrkraft erfolgt. Der von der Mathematiklehrkraft erstellte Förderplan wird der Klassenkonferenz zur Beratung vorgelegt.
"Die Rechenwege einer Schülerin/eines Schülers mit einer Rechenschwäche oder einer Rechenstörung/Dyskalkulie sind in regelmäßigen kurzen Abständen, aber auf jeden Fall nach der Einführung neuer Lerninhalte durch die Lehrkraft nachzuvollziehen, um die Förderung entsprechend umzustellen und effektiv zu gestalten." (Richtlinie 4. Förderdokumentation)
Eine regelmäßige Abstimmung der Förderung mit den Erziehungsberechtigten ist, so die Ausführungen in der Richtlinie, erforderlich.
Die Richtlinie unterscheidet im Abschnitt 6 zwischen zusätzliche pädagogische Hilfsmaßnahmen, Maßnahmen des Nachteilsausgleichs und Abweichen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung.
Zusätzliche pädagogische Hilfsmaßnahmen sind z.B.:
• Bereitstellung und Nutzung von didaktischen sowie methodischen Hilfsmitteln auch während Leistungserhebungen (z.B. Rechenraupe, Rechengeräte, leere Zwanziger- oder Hunderterfelder),
• unterrichtsorganisatorische Veränderungen (individuell gestaltete Pausenregelungen),
• zusätzlich zur Note ermutigende Verbalbeurteilung unter den schriftlichen Leistungserhebungen,
• bei der Lehrerkorrektur der Leistungserhebungen alle richtig gerechneten Ergebnisse grün unterstreichen anstatt falsche Ergebnisse in rot zu markieren,
• Stellung alternativer Hausaufgaben, ausgehend von den Stärken der Schülerin oder des Schülers (grundlegende Übungen zur Festigung anstelle des deutlich überfordernden aktuellen Unterrichtsstoffs),
• Veränderung der Arbeitsplatzorganisation.
Nachteilsausgleiche sind z.B.:
• Ausweitung der Arbeitszeit um maximal 50 Prozent bei schriftlichen Leistungserhebungen,
• Gewährung einer 10-minütigen Zusatzzeit zur Kontrolle und Korrektur nach Fertigstellung von schriftlichen Leistungserhebungen,
• über das übliche Maß hinausgehende Unterstützung durch Verständnishilfen und zusätzliche Erläuterungen während der Leistungskontrolle,
• Exaktheitstoleranz, z.B. bei zeichnerischen Aufgabenstellungen.
Im Einzelfall anzuwendende zusätzliche pädagogische Hilfsmaßnahmen liegen im fachlich-pädagogischen Ermessen der jeweiligen Fachlehrkraft. Maßnahmen des Nachteilsausgleichs liegen im fachlich-pädagogischen Ermessen der Lehrkräfte der Klassenkonferenz
Bei einer Rechenstörung/Dyskalkulie können darüber hinaus auf Beschluss der Klassenkonferenz abweichende Formen der Leistungserhebung und -beurteilung angewandt werden.
Christel Hanke
Beratung
Beratungszeiten
Am besten erreichen Sie uns Montags zwischen 16 Uhr und 19 Uhr. Bitte versuchen Sie es öfter oder schreiben Sie uns eine E-Mail.
Vielfalt ist gut! Legasthenie und Dyskalkulie sind Teil dieser Vielfalt. Wir alle haben unsere Stärken und Schwächen, unsere Begabungen und Einschränkungen – mit den richtigen Rahmenbedingungen können wir unsere Stärken entfalten und mit unseren Schwächen gut leben.
Unser zentrales Ziel ist es, für Menschen mit Legasthenie und Dyskalkulie angemessene Bedingungen zu schaffen und individuelle Bildungschancen auf den Weg zu bringen!
Bereits vor Jahrzehnten haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, Menschen mit Legasthenie und Dyskalkulie und ihre Familien aktiv zu unterstützen sowie aktuelle Informationen zur Bildungspolitik und über Forschung & Wissenschaft zur Verfügung zu stellen. Sie und Ihr Kind haben Anspruch auf Chancenausgleich und Hilfestellungen. Für diesen Anspruch setzen wir uns ein. Werden Sie Mitglied in unserem Verband – gemeinsam wird vieles leichter.
Tanja Scherle
Bundesvorsitzende